Virtual Reality während der Dialyse – Neue VR-Brillen ermöglichen Ablenkung und Sport während der Behandlung

29.06.2020
Bildunterschrift: Freuen sich über die neue Technik (hinten von links): Christine Wolnik, Prof. Jan T. Kielstein und Jaqueline Behrendt.

Bildnachweis: Klinikum Braunschweig/Peter Sierigk

Es ist eine Fahrradtour der besonderen Art: Dialysepatientinnen und -patienten der Klinik für Nephrologie am Klinikum Braunschweig können ab sofort während ihrer Behandlung durch die Landschaft radeln. Möglich wird dies durch eigens angeschaffte VR (= Virtual Reality)-Brillen. Der Einsatz der modernen Technik hat gleich zwei positive Effekte: Die Betroffenen werden während der Punktion des Dialyseshunts von ihren Schmerzen abgelenkt und gleichzeitig machen sie während des langwierigen Blutreinigungsverfahrens Sport und stärken auf diese Weise ihre Fitness.

Die zwei Brillen kommen seit Ende Mai in zwei bis drei Schichten am Tag zum Einsatz. Von den durchschnittlich 45 Hämodialysepatientinnen und -patienten können etwa 10 das neue Angebot nutzen. Für Chefarzt Prof. Jan T. Kielstein ist das Projekt eine Herzensangelegenheit: „Meine Mutter, die selbst Nephrologin war, hat 1977 in Magdeburg das erste Sportprogramm für Dialysepatientinnen und -patienten etabliert, so dass ich schon als Kind mit diesem Konzept aufgewachsen bin. Ich freue mich, die Idee jetzt am Klinikum Braunschweig fortsetzen und modernisieren zu können.“

Finanziert wurden die VR-Brillen ausschließlich durch zweckgebundene Kondolenz-Spenden an den Verein „Freunde und Förderer des Städtischen Klinikums Braunschweig e.V.“ zum Tod von Prof. Kielsteins Mutter im Jahr 2018. So konnte die Anschaffung im Gesamtwert von 3050 Euro finanziell gestemmt werden. Da knapp 7000 Euro gespendet wurden, konnte sogar noch ein Fahrradergometer, ein besonderes Fahrrad, das auch im Liegen genutzt werden kann, gekauft werden. Vereinsvorsitzende Christine Wolnik sagt hierzu: „Die Anschaffung des Fahrrads in Verbindung mit den Brillen hat einen hohen Nutzen für die Patientinnen und Patienten. Es ist ein tolles Projekt, das in die Zukunft strahlt.“

Von der Effektivität ist Chefarzt Prof. Jan T. Kielstein überzeugt: „Die virtuelle Realität ist sowohl förderlich für die Rekreation, sprich die Erholung der Betroffenen, als auch für die Anleitung der Gesundheitsförderung.“ Diese Wirksamkeit sieht auch Pflegefachkraft Jaqueline Behrendt, die die Anschaffung des besonderen Fahrrads mit vorangetrieben hat und Patientinnen und Patienten täglich anleitet und beim Sport unterstützt. Sie sagt: „Patienten berichten mir, dass sie sich physisch und psychisch belastbarer fühlen, seit sie regelmäßig während der Dialyse trainieren. Zudem hat es den positiven Effekt, dass die Patienten kreislaufstabiler während und nach der Dialyse sind. Unsere Patienten sind sehr motiviert und fordern ihre tägliche ,Sportstunde‘, die sich auf 30 bis 60 Minuten beläuft, auch ein.“

Mittelfristig sei geplant, ein Trainingsprogramm zu entwickeln, in dem die Patientinnen und Patienten die Reihenfolge der Handgriffe erlernen, die für die selbstständige Durchführung der Peritonealdialyse notwendig sind. Und die Pläne gehen noch weiter. Prof. Kielstein: „Langfristig soll mit der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie auch ein virtuelle Vorstellung aller Nierenersatztherapien entwickelt werden, damit sich Patientinnen und Patienten dann für das Dialyseverfahren ihrer Wahl entscheiden können und z.B. einen virtuellen Rundgang durch eine Wohnung mit häuslicher Dialyse machen können um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen.“